Von Hannah Danner, Anna-Lena Siegert, Nathalie Wilk – August 2015
Das Kartoffelkombinat …
… eine solidarische Landwirtschaft.
… ein Garant für schmackhaftes Gemüse.
… ein Forschungsobjekt?
Was bewirkt das Kartoffelkombinat jenseits guter Ernährung? Beeinflusst die Mitgliedschaft im Kartoffelkombinat das Nachhaltigkeitsverhalten seiner Genossinnen und Genossen?
Mit dieser Frage setzten wir uns im Rahmen unseres Masterstudiums der Verbraucherwissenschaften an der TU München auseinander. Das Kartoffelkombinat (KK) ist Teil der europaweiten Studie EU-InnovatE, welche untersucht, inwiefern innovative und unternehmerisch aktive Verbraucher einen Beitrag zu einer grünen EU-Wirtschaft leisten können. An der im Mai und Juni durchgeführten Umfrage haben rund 200 Personen der knapp 700 Mitgliedshaushalte teilgenommen. Nochmals vielen Dank an alle, die den Fragebogen ausgefüllt haben.
Die Ergebnisse
Wie bei den gängigen Fußabdruck-Tests haben wir bei der Untersuchung des Nachhaltigkeitsverhaltens zwischen den Bereichen Ernährung, Wohnen und Energie, Mobilität sowie Konsum unterschieden. Die Mitglieder stellten eine deutliche Veränderung ihres Verhaltens seit Beitritt zum Kartoffelkombinat fest. Bei einer maximal erreichbaren Punktezahl von 100, erzielten die KK-Genossinnen und Genossen im Durchschnitt 70 Punkte. Dabei ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Aktivität der Genossinnen und Genossen im KK und dem Nachhaltigkeitsverhalten festzustellen. Je aktiver, umso mehr Nachhaltigkeitspunkte.
Das KK wirkt
Die Mitglieder schätzten ihr Verhalten heute im Vergleich zu vor dem Beitritt als deutlich nachhaltiger ein, mit einer Steigerung von durchschnittlich 22 Prozent. Im Bereich Ernährung, dem Kernthema des KK, war die Veränderung mit 53 Prozent am stärksten. Die Mitgliedschaft wirkte sich aber auch auf andere Lebensbereiche aus. So wurden Zuwächse um 15 Prozent im Bereich Wohnen und Energie, um 13 Prozent im Bereich Konsum und um 5 Prozent im Bereich Mobilität verzeichnet.
Worauf sind die Veränderungen zurückzuführen?
Aller Anfang ist schwer. Studien belegen, dass der Wandel hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil einen Auslöser, einen Startpunkt, benötigt. Im Verlauf unseres Forschungsprojekts ist uns, sowohl in Gesprächen mit dem KK-Team und Genossen, als auch bei der Auswertung des Fragebogens, immer wieder die besondere Rolle der Genossenschaft ins Auge gesprungen. In unserer Studie konnten wir feststellen, dass die Zugehörigkeit zur KK-Gemeinschaft die Veränderungen im Nachhaltigkeitsverhalten beeinflusst hat. 75 Prozent der Befragten finden, dass das KK ihre Wahrnehmung für soziale, ökologische und wirtschaftliche Probleme schärft. 36 Prozent stimmen zu, dass ihre Mitgenossen sie zur Reflektion des eigenen Verhaltens anregen. 32 Prozent haben in anderen Mitgliedern Vorbilder gefunden. Die Einflüsse durch die Gemeinschaft sind damit überwiegend positiver Natur. Von ihren Mitgenossen unter Zugzwang gesetzt fühlen sich hingegen nur etwa 6 Prozent, 5 Prozent vergleichen sich mit anderen Mitgenossen.
Die Wahrnehmung von inkonsequentem Handeln, das heißt kognitive Dissonanz, wird als wichtiger Auslöser für Verhaltensveränderungen gesehen. Unsere Studie zeigte, dass die Mitgliedschaft im KK und Aktivität in der Gemeinschaft zur Wahrnehmung einer solchen kognitiven Dissonanz führen und ein nachhaltigeres Verhalten erklären können. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ein schlechtes Gewissen verspüren, wenn sie weniger umweltfreundliche Entscheidungen treffen. 88 Prozent versuchen, ihr Verhalten stets in Einklang mit ihren Grundsätzen zu bringen.
Weitere Ergebnisse:
Wer sind die KK-Genossinnen und Genossen?
Das Durchschnittsalter der Genossen liegt bei 38 Jahren, das älteste Mitglied ist 72, das jüngste 20 Jahre alt. Die Männer sind mit einem Anteil von zwei Drittel deutlich in der Mehrheit, nur ein Drittel sind Frauen.
Das KK verzeichnete einen großen Zuwachs an Mitgliedern, 39 Prozent der Befragten sind erst im vergangenen Jahr dazu gestoßen, 38 Prozent sind seit ein oder zwei Jahren dabei. 23 Prozent sind seit mehr als zwei Jahren Mitglied im KK.
Was ist wichtig für die Genossen? Wieso sind sie dabei?
Das KK zieht bewusst lebende Menschen an und gibt ihnen einen Raum zum Austausch und zur Diskussion. 81 Prozent der Befragten möchten durch das KK die Kontrolle über ihre Lebensmittel zurückerlangen. Die Genossinnen und Genossen identifizieren sich mit den Zielen und dem Konzept des KK (97 Prozent). Die Hälfte schätzt darüber hinaus den Austausch mit Gleichgesinnten.
Wie aktiv sind die Genossinnen und Genossen?
Die Aktivität wurde an der Teilnahme an Veranstaltungen, der Mithilfe beim Packen und Gärtnern, dem Gewinnen neuer Mitglieder, dem Lesen des Kartoffeldrucks sowie der Beteiligung im Forum gemessen. Nur 5 Prozent sind demnach als sehr aktiv einzustufen, weitere 18 Prozent weisen einen mittleren Grad an Aktivität auf. Der Großteil der Mitglieder, 77 Prozent, sind stille Genießer, die nur selten an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilnehmen.
Im Durchschnitt teilt jede Genossin oder jeder Genosse seinen Ernteanteil mit 1,5 Personen. 18 Prozent erhalten den Ernteanteil allein. Die Mehrheit (46 Prozent) teilt ihn mit einer weiteren Person. 10 Prozent teilen ihn mit drei Personen und 7 Prozent mit vier oder mehr Haushaltsmitgliedern.
Wie konsumieren die Genossinnen und Genossen?
– Ernährung, Energie, Konsum, Mobilität
Unser täglich Brot: Was kommt bei den Genossinnen und Genossen auf den Teller? Fast die Hälfte kauft überwiegend Bio-Lebensmittel ein. Vegetarier und Veganer sind mit einem Anteil von jeweils 8 Prozent in der Minderheit. Weitere 7 Prozent sind Pescetarier. 20 Prozent greifen ab und zu Fleisch- und Wurstwaren und sind somit Flexitarier.
In Sachen Energie beziehen drei Viertel der KK-Mitglieder Strom aus grünen Quellen.
Mit welchen Verkehrsmitteln bewegen sich die Mitglieder im Alltag fort?
Das Fahrrad wird von 65 Prozent täglich oder fast täglich benutzt. 37 Prozent nehmen öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch und nur 15 Prozent fahren täglich oder fast täglich mit dem Auto.
Auch in ihrem sonstigen Konsumverhalten legen die Genossinnen und Genossen weitgehend einen bewussten Umgang mit den Ressourcen an den Tag. 61 Prozent versuchen Gebrauchsgegenstände so lange wie möglich zu nutzen. 71 Prozent sind grundsätzlich auch bereit, sie mit anderen Menschen zu teilen. 42 Prozent stellen auch mal Dinge selbst her, anstatt sie zu kaufen.
Das KK – viel mehr als eine Gemüsekiste
Das KK ist weit mehr als eine Öko-Kiste. Die solidarische Landwirtschaft, organisiert als Genossenschaft, bietet vielseitige Partizipationsmöglichkeiten und Informationskanäle.
Die Sensibilisierung für Themen rund um Ernährung und Landwirtschaft während ihrer Mitgliedschaft veranlasste viele Genossen, ihren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten. Das KK wirkte sich auch auf andere Lebensbereiche wie Mobilität, Konsum, Wohnen und Energie positiv aus.
Unserer Untersuchung zufolge können das KK und die Gemeinschaft der Genossenschaft ein wesentlicher Auslöser für Verhaltensveränderungen bezüglich Nachhaltigkeit sein. Die festgestellten Veränderungen sind auch auf Gruppeneffekte innerhalb der KK-Gemeinschaft und das Empfinden von kognitiver Dissonanz zurückzuführen. So stoßen KK-Genossinnen und Genossen einander zur Reflexion an und können somit zu einem nachhaltigeren Lebensstil anregen.
Mitmachen lohnt sich. Nicht nur die Wirkungskraft des KK, sondern auch das Funktionieren des Konzepts der solidarischen Landwirtschaft, steht und fällt mit der Teilhabe und Teilnahme der Genossinnen und Genossen.
Als aktive Genossenschaft kann das Kartoffelkombinat einen wertvollen Beitrag hin zu einer grünen EU-Wirtschaft leisten.
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