– Ein Beitrag unserer Aufsichtsrätin Christa –
Auf die Frage des Deutschlandfunks, warum auf den deutschen Straßen trotz der Klimakrise immer mehr SUVs fahren, antwortet ein Professor für Design und Mobilität von der Fachhochschule Hof, dass mit dem Verkauf eines großen, schweren Automobils sehr viel mehr Gewinn realisiert werden kann als mit dem von vielen kleinen Autos. Und – so schlussfolgert er: „Ein Automobilunternehmen baut Autos, um damit Profit zu erwirtschaften. Das kann man ihm auch nicht übel nehmen.“
Gegenblende. Daniel Überall wird nicht müde, in Interviews und Podcasts den Sinn des genossenschaftlichen Tuns so zu erklären (ungefährer Wortlaut):
„Wir wollen kein Gemüse verkaufen. Wir wollen in der Genossenschaft keine Kunden, die Gemüse kaufen. Sondern wir wollen den Gemüseanbau als Gemeinschaft organisieren, gemeinsam ernten und verbrauchen. Und am Ende sind wir froh, wenn wir alles aufgegessen haben.“
Der Unterschied zwischen diesen beiden Wirtschaftsansätzen könnte größer nicht sein, der eine toxisch, naturvergessen, profitorientiert; der andere transformativ, experimentell, kleinteilig, genügsam, am Gemeinwohl orientiert. Ähnlich wie die nicht zeitgemäße Dominanz von SUVs auf den Straßen erscheint uns die Durchsetzungskraft des profitorientierten Wirtschaftens als ungleich größer – zumal sie im globalen Maßstab so ungeheuer wirkmächtig ist.
Und dennoch ist das, was das Kombinat und viele andere Projekte vergleichbarer Orientierung tun, keineswegs sinnlos und verpufft einfach nur angesichts der sich zunehmend überlappenden globalen Krisen.
Vielmehr könnte man das Kombinat mitsamt seinen Vernetzungen, Räumen und Ideen auch – mit dem amerikanischen Soziologen Erik Olin Wright – als „Reale Utopie“ verstehen. Wright schlägt eine spezielle Form der Transformation des Kapitalismus vor: eine Erodierung desselben dadurch, „dass in den Räumen und Rissen innerhalb kapitalistischer Wirtschaften emanzipatorische Alternativen aufgebaut werden“ (aus Wright „Reale Utopie“, 2017), die es weiter zu erproben, auszuweiten und zu verteidigen gilt.
Und wenn diese Annahme zutrifft, dann hat jede Orientierung auf regionales-saisonales Gemüse nicht nur die Neugier auf deren Vielfalt und Geschmacksvarianten im Visier, sondern zugleich immer auch die toxischen globalen Produktions- und Konsumbedingungen, die in unserem Betrieb ein ganz klein wenig korrigiert werden – mit all den Widersprüchen und Wechselwirkungen, die ein solches Tun mitliefert.
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Christa Müller ist Soziologin und seit 1999 im Forschungsteam der anstiftung. Zuvor absolvierte sie Feldforschungsaufenthalte in Costa Rica, Spanien, Mexiko und Westfalen zu Bauernbewegungen und Modernisierungsprozessen.
1997 promovierte sie an der Universität Bielefeld zum Dr. rer. soc. über die Transformation eines westfälischen Dorfes in globalisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Für ihre Dissertation „Von der lokalen Ökonomie zum globalisierten Dorf“ erhielt sie 1998 den Forschungspreis für Ökologische Ökonomie.