Eine Kämpferin für den Frieden ohne Respekt vor Konventionen, eine Aktivistin für den Schutz der Umwelt, die ihrer Zeit weit voraus war: Petra Kelly. Wir freuen uns sehr, dass uns die Macherin der Dokumentation, Doris Metz, für ein ausführliches Interview zur Verfügung stand.
Frau Metz, was hat Sie inspiriert, einen Dokumentarfilm über Petra Kelly zu machen?
Wie viele Menschen meiner Generation war ich bei den großen Bonner Friedensdemos zu Beginn der 1980er Jahre dabei, war im Tränengasnebel in Wackersdorf am Bauzaun der atomaren Wiederaufbereitungsanlage, blockierte mit vielen anderen Einfahrten zur US-Airbase Mutlangen, wo die neuen amerikanischen Pershing-II-Atomwaffen stationiert werden sollten.
Petra Kelly war für mich immer eine Hoffnungsfigur. Sie verkörperte die Hoffnung, dass eine andere glaubwürdige Politik möglich ist. Petra Kelly war eine Ausnahmeerscheinung, eine unerbittliche Kämpferin für Umwelt, Frieden und Menschenrechte und in ihrem globalen Denken war sie ihrer Zeit weit voraus. Ihr politisches Denken und Handeln ist erschreckend aktuell. Deshalb ist ein Film über sie überfällig.
Wie können junge Menschen heute von Petra Kellys Leben und ihrer politischen Arbeit inspiriert werden?
Lustigerweise ist Petra Kellys Redetempo heute modern. „Krass, die redet ja wie wir und kann Englisch“, waren die ersten Kommentare aus dem jungen Lager. Petra Kelly war auch darin ihrer Zeit voraus. Im Bundestag wurde die junge Petra Kelly von den Anzugsträgern aus dem damaligen Regierungslager immer wieder angegangen, langsamer zu sprechen – eines der taktischen Mittel, sie als Galionsfigur der Grünen und Frau aus dem Konzept zu bringen.
Inhaltlich ist es ihr mutiger Aktivismus und ihr klares Bekenntnis für eine kreative Vielfalt an Formen zivilen Widerstands, der bei den jungen Klima-Aktivist:innen von heute ankommt. Petra Kelly blieb immer Aktivistin, auch als sie längst für die Grünen im Parlament saß, und all den NGOs und zivilgesellschaftlichen Gruppen der Antiatom- und Umweltbewegung auf der ganzen Welt eng verbunden. Ihre großen Vorbilder waren die amerikanischen Jesuitenbrüder und Friedensaktivisten Dan und Phil Berrigan, die jahrelang für ihre Überzeugung gegen Atomwaffen im Gefängnis saßen. „Wir müssen uns selbst riskieren in dieser Zeit“, war Petra Kellys Plädoyer. Damit traktierte sie ihre grünen Fraktionskolleg:innen, die es sich auf den Sesseln der Macht bequem machen wollten. Eines stand für Petra Kelly aber immer fest: ziviler Widerstand endet bei Gewalt gegen Menschen. Selbst die damals weltweite Aktion „Hunger Strike for Peace“ gegen das Aufrüsten hat sie deshalb strikt abgelehnt.
Braucht es gerade heute mehr Petra Kellys, um die Gesellschaft zu transformieren oder ist sind radikale Ansätze nicht mehr opportun?
Ich glaube, in unserer Zeit der Polykrisen und der bevorstehenden großen gesellschaftlichen Transformationen braucht es mehr Petra Kellys. Politiker:innen, die glaubwürdig sind, die Klartext reden und die Dinge beim Namen nennen und die nicht über Menschen, sondern mit den Menschen gemeinsam und auf Augenhöhe Lösungen suchen, wie wir auf unserem Planeten in Zukunft noch weiterleben können. Es fehlen Politiker:innen, die Mut machen. Leider leben wir in einer Zeit, wo radikale nationalistische und rechtsextreme Strömungen in ganz Europa immer stärker werden. Die rechtsextreme Agenda beruht auf Angst und Verleugnung von Realität wie dem Klimawandel.
Wie war es, mit Zeitzeugen und Wegbegleitern von Petra Kelly zu sprechen? Gab es besondere Momente oder Erkenntnisse, die Sie während dieser Interviews gewonnen haben?
Am längsten gesucht habe ich Ina Fuchs. Sie schien wie vom Boden verschluckt zu sein. Schließlich habe ich sie in Jerusalem aufgespürt, wo sie seit 20 Jahren lebt bzw. lebte – bis zum 7. Oktober. Sie war die Büroleiterin von Gert Bastian und Petra Kelly. Ihr doppelter Blick auf Petra Kelly, analytisch klug und empathisch nah, hat mich beeindruckt. Dass sie sogar von der Bastian Familie ins Bonner Reihenhaus geschickt wurde und quälend nah an den Toten war, wusste ich zuvor nicht. Am meisten berührt hat mich der Indigene Umwelt- und Menschenrechtsaktivist Milo Yellow Hair, dessen Körper von zwei Attentatsversuchen durchs FBI gezeichnet ist. Am von Deutschland weitest entfernten Ort, unweit des historischen Massaker-Platzes „Wounded Knee“ in der Pine Ridge Reservation in South Dakota, bin ich durch ihn Petra und dem spirituellen Kern von Petra Kellys Wesen am nächsten gekommen.
Welche Aspekte von Petra Kellys Leben und Wirken hätten Sie gerne noch gezeigt, konnten es aber nicht mehr in den Film nehmen?
Petra Kellys unermüdlicher Einsatz für die Tibeter und ihre Freundschaft mit dem Dalai Lama. Das ist ein Aspekt, den ich wahnsinnig gerne noch im Film eingearbeitet hätte. Petra Kelly hat es geschafft, dass der Dalai Lama in Deutschland überhaupt offiziell empfangen wurde und Tibet erstmals auf der Agenda im deutschen Bundestag stand. Aber ich konnte kein brauchbares Archivmaterial aufspüren und für eine Reise zu seiner Heiligkeit nach Dharamsala in den indischen Himalaya reichte unser Budget einfach nicht mehr.
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