Im Kartoffelkombinat bauen wir auf 24 ha Gesamtackerfläche ca. 6 ha Gemüse und 3 ha Kartoffeln, 3 ha Äpfel, außerdem auf 12 ha Blühstreifen für die Nützlinge und Kleegras an. Zusätzlich bewirtschaften wir 2.800 m² Gewächshausfläche.
Mit unserem Team aus Gemüsebau-Meister*Innen, gelernten Gärtner*Innen, Helfer*Innen, Azubis und Mitgärtner*Innen kultivieren wir über 50 verschiedene Gemüsearten. Dabei haben wir einen hohen Anspruch an die Anbauqualität, da wir unsere Genossenschaft, d.h. uns selbst, mit dem bestmöglichen Gemüse versorgen wollen.
Die Pflanzen für unseren Anbau in der Gärtnerei in Spielberg produzieren wir zum Teil selbst in unserem kleinen Anzuchtsbereich. Dort säen vorwiegend unsere Auszubildenden z. B. Kürbis, Rettich, Mairübchen und verschiedene Sonderkulturen aus.
Da unser Anzuchtgewächshaus bei Weitem zu klein ist um alle Jungpflanzen selbst zu produzieren und dies außerdem zusätzliche Arbeitskraft, Expertise und die Möglichkeit das Gewächshaus zu beheizen erfordern würde, beziehen wir den größten Teil von dem spezialisierten Jungpflanzenbetrieb Bärthele. Dieser ist Bioland-zertifiziert und liefert uns regelmäßig die von uns vor der Saison bestellten Bio-Jungpflanzen.
Das Saatgut für unsere eigene Anzucht kaufen wir bei etablierten Saatgutlieferanten wie der Bingenheimer Saatgut AG, Reinsaat, Rijk Zwaan, Enza Zaden, Camena und Rieger-Hofmann. Bei der Wahl des Saatguts und der Jungpflanzen setzen wir auf eine Mischung aus samenfesten und hybriden Sorten. Beide Arten haben ihre Vor- und Nachteile.
Von einer samenfesten Sorte spricht man, wenn sich aus dem von einer Pflanze gewonnenen Saatgut nach der Aussaat eine Pflanze mit fast identischen Merkmalen ziehen lässt.
Bei Hybridsorten ist dies nicht der Fall. Sie werden gezüchtet, indem man eine Pflanze mit gewünschten Eigenschaften so lange mit sich selbst kreuzt, bis spezifische Eigenschaften stark hervortreten. Kreuzt man nun diese Pflanze wiederum mit einer auf gleiche Weise erzeugten Pflanze mit anderen dominanten und gewünschten Merkmalen, tritt der sogenannte Heterosis-Effekt ein, bei dem eine Pflanze die Merkmale beider Eltern vereint und deren Leistung teils deutlich übertrifft. So sind bei einigen Hybridpflanzen Ertragssteigerungen von bis zu 600 % möglich. Auch nimmt die Uniformität der Pflanzen zu, was zu deutlichen Arbeitserleichterungen führen kann.
Allerdings halten diese positiven Eigenschaften nicht lange an. Schon in der nächsten Generation diversifizieren sich die Eigenschaften wieder und man erhält Pflanzen mit sehr verschiedenen Merkmalen. Dies ist der Grund, warum Saatgut aus Hybridpflanzen nicht weiterverwendet werden kann und auch der Hauptkritikpunkt an hybriden Sorten.
Landwirtinnen müssen das Saatgut jedes Jahr aufs Neue von ihrem Saatguterzeuger kaufen, statt es auf dem Betrieb selbst vermehren zu können und sind so gewissermaßen abhängig. Dabei gilt es aber zu beachten, dass auch viele samenfeste Sorten dem Sortenschutz unterliegen und der/die Landwirtin, wenn er/sie die Sorte aus selbst erzeugtem Saatgut im nächsten Jahr wieder anbauen will, Lizenzgebühren bezahlen muss. Diese Thematik betrifft aber eben vor allem Landwirt*innen. Da diese oft die Samen (Getreide, Raps) ernten, ist es für sie lukrativ, einen Teil davon auf die Seite zu legen und im nächsten Jahr als Saatgut wiederzuverwenden.
Im Gemüsebau ernten wir die Pflanzen, bevor sie überhaupt Blüten und dann Samen hervorbringen. Aus Gemüse eigenes Saatgut zu erzeugen, funktioniert also nicht einfach so nebenher, sondern es müsste ein eigener Fachbereicheingerichtet werden, der explizit Saatgut erzeugt. Dies bei über 50 verschiedenen Kulturen, die wir im Kartoffelkombinat anbauen, zu realisieren, steht in keinem Verhältnis zu den jährlichen Saatgutkosten und dem Risiko der Abhängigkeit von externen Lieferanten.
Hybridpflanzen weisen durch stärkere Zuchtarbeit oft bessere Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge auf. So ist es z. B. bei uns nicht möglich im Freiland (wo wir Feuchtigkeit der Pflanzen nicht kontrollieren können) samenfesten Spinat anzubauen, da dieser immer durch den Falschen Mehltaupilz, gegen den er im Gegensatz zu seinem Hybrid-Verwandten keine Resistenz besitzt, dahingerafft wird.
Auch wäre es kaum denkbar, Brokkoli als samenfeste Variante anzubauen. Zu groß wäre der Arbeitsaufwand bei der Ernte durch zu ungleichmäßige Abreife. Wenn wir Brokkoli ernten, müssen wir alle zwei Tage (auch am Wochenende) durch den kompletten Bestand gehen, schauen, welche Brokkolipflanzen erntereif sind und diese dann heraus ernten. Dies zieht sich aktuell bei uns über drei Wochen, mit samenfestem Brokkoli wäre dieser Zeitraum deutlich länger.
Dieser Zusatzaufwand wirkt sich auf die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden aus und muss natürlich auch finanziert werden. Das Gemüse wird also teurer oder, was meist eher passiert, die Gehälter der Mitarbeitenden sinken bis zum Mindestlohn. Dies ist ein nicht zu vernachlässigender Punkt, da es auch unserer Branche der Lebensmittelerzeugung akut an Personal mangelt und die Aussichten nicht rosig sind. Gibt es keine Menschen mehr, die Lebensmittel erzeugen wollen, sei es aufgrund starker Arbeitsbelastung oder niedrigem Einkommen, sind viele Themen, über die wir diskutieren, von vornherein erledigt.
Trotzdem setzen wir, wie schon erwähnt, nicht nur auf Hybridsorten in unserem Anbau. 70 % des von uns angebauten Gemüses entspringt samenfesten Sorten (Anmerkung: Gemüse im Handel liegt bei deutlich unter 10 %). Die genetische Vielfalt, die samenfeste Gemüsesorten beinhalten, erachten wir als durchaus wichtig für künftige Zuchtarbeit. Samenfeste Sorten sind zudem günstiger und bei Weitem gibt es nicht für jedes Gemüse hybride Züchtungen.
Am Ende entscheiden wir nach bestem Wissen und fachlicher Praxis darüber, welche Sorte für welches Gemüse und für welchen Standort die geeignetste ist, lassen uns von eigener Erfahrung und erarbeiteter Expertise mehr leiten als von aktuellen Trends und versuchen unseren Anbau so verträglich wie möglich für Mensch und Umwelt zu gestalten.