So ging´s los
Im August 2021 haben wir unser allererstes Bier gebraut! Aber nicht irgendein Bier … Ein Bier, das nach Kartoffelkombinat-Prinzipien produziert ist. Und nach einem besonderen Rezept! Im Frühjahr hatten wir in einer großen Umfrage die Bier-Vorlieben unserer Genoss*innen abgefragt. Und aus den Rückmeldungen ein einmaliges Braurezept entwickelt, das möglichst vielen gut schmeckt!
> Alles rund um unseren Sud No. 1 – unser „Brotzeitbier“ – findet ihr hier.
Im August 2022 folgte dann unser Sud No. 2 – aufgrund des guten Feedbacks nach Sud No. 1 ebenfalls wieder in der Sorte „Brotzeitbier“. Wie die beiden Sude entstanden sind, haben wir jeweils filmisch festgehalten. Ihr findet die beiden kurzen Bier-Dokus unter Sud No. 1 & Sud No. 2. 2023 folgte dann eine neue Sorte: Unser Sud No. 3 „Sommerfestbier“!
Die Idee: Ein Gemeinschafts-Bio-Bier
Vorneweg: wir, als Kartoffelkombinat-Team, haben nicht nach einem „neuen“ Projekt gesucht, das wir 2021 neben unserem neuen Apfelgarten und Flächenerweiterung auch noch anpacken wollen. Die Initiative zum Bier kam aus unserer Genossenschaft! Und wir haben festgestellt, dass das in München symbolträchtige Genussmittel „Bier“ tatsächlich ein gutes Kartoffelkombinat-Projekt sein könnte und zu unserem gemeinsamen Werteleitbild passt. Denn so, wie wir unser Gemüse produzieren – selbst oder mit Partnerbetrieben, so ökologisch wie möglich, transparent und fair und mit Möglichkeit zum Mitmachen – gibt’s im Bierbereich in der Form noch nicht. Selbst beim Bio-Bier weiß man beispielweise nicht, wer den Hopfen produziert hat und welche Herausforderungen diese Saison vielleicht damit verbunden waren.
Wir wollen die Verbindung zu einem landwirtschaftlichen Produkt wiederherstellen, indem wir ein Bewusstsein für die Herstellung und die damit verbundenen Herausforderungen schaffen! Unser Bier ist ein Gemeinschaftsprojekt – wir brauen nicht einfach drauf los, sondern tauschen uns vorher mit den Mitgliedern aus, beziehen die Geschmäcker der Genoss*innen in die Rezeptentwicklung mit ein, planen wo möglich auch weitere Partizipationswege ein und brauen erst, wenn ein Sud komplett vorbestellt ist! Antworten zu weiteren häufigen Fragen zur Idee gibt’s hier in der Community.
Mehr Bio Im Bier-Land Deutschland!
Während im Lebensmittelbereich biologisch erzeugte Waren zumindest schon etwa 5% Marktanteil haben, sind es im Bier-Bereich aktuell deutlich unter 1%. Selbst bio-affinen Menschen scheint „bio“ beim Bier tendenziell egal(er) zu sein. Dabei wäre auch im Bier-Bereich, wo aktuell über 99% des Biers nicht-biologisch und mit teils schlimmen Folgen für Grundwasser, Böden und die Gesundheit der Landwirt*innen und Bier-Genießer*innen hergestellt wird, mehr bio sehr wünschenswert!
Bier ist Landwirtschaft, nicht nur Genussmittel
In Bier steckt viel Malz aus Gerste oder anderen Getreiden – in einem durchschnittlichen Bier rund 100 g pro Flasche. In Deutschland wurden 2020 rund 2 Mio. Tonnen Malz produziert – das entspricht grob geschätzt etwa 300.000 – 400.000 Hektar Anbaufläche (größer als das Saarland). Im konventionellen Anbau werden Spritzmittel wie Glyphosat eingesetzt – das am Ende sogar in den meisten Bieren noch nachweisbar ist. Auch beim Hopfenanbau hat Deutschland als zweitgrößtes Anbaugebiet der Welt, mit rund 21.000 Hektar, eine besondere Verantwortung.
Hopfen ist keine einfache Kultur – es gibt einen hohen Schädlings- und Krankheitsdruck (…und damit Spitzmitteleinsatz), außerdem ist sie sehr düngeintensiv. Die Nitratwerte im Grundwasser der Hallertau sind durch die intensive Hopfendüngung so hoch, wie sonst nur in Gebieten mit viel Tiermast. Hopfen und Malz fürs Bier in bio anzubauen ist in vielerlei Hinsicht besser – fürs Grundwasser, den Boden, die Umwelt, Artenvielfalt und nicht zuletzt für unsere eigene Gesundheit. Also packen wir’s doch einfach mal selbst an, im Kartoffelkombinat!
Wer steckt dahinter?
Der Weg von der Idee zur Realität…
Im Frühjahr 2021 hat unsere AG Bier dann viel recherchiert und Kontakte geknüpft – mit welchen Brauereien könnten wir kooperieren, wie funktioniert eigentlich so eine Abfüll-Logistik, welche Partner*innen können wir für die Rohstoffe ins Boot holen… Eine Welt für sich, mit einigen unerwarteten Stolpersteinen! Aber wir haben gute Partnerschaften beginnen können, mit denen wir unser eigenes Bier in die Realität umsetzen konnten:
Unsere Bier-Partner*innen
Die erste unerwartete Erkenntnis: es gibt im Jahr 2021 gerade mal 11 Bio-Hopfen-Betriebe in ganz Deutschland. Das dürfte zum einen auf die zu geringe Nachfrage von den Brauereien (und Biertrinker*innen) zurückzuführen sein, aber auch, dass die ökologische Erzeugung von Hopfen nochmal deutlich aufwändiger ist. Bio-Hopfenabau ist etwas für Überzeugungstäter*innen. Und wir hatten Glück – durch einen Aufruf in diesem erlesenen Kreis haben wir die Schmailzls gefunden:
Bio-Hopfen von den Schmailzls
Nick und Clarissa sind im April 2021 ins Altmühltal losgezogen, genauer gesagt ins Örtchen Tettenwang, um Heiner und Claudia Schmailzl und ihren Hopfen kennenzulernen. Sie sind 2006 auf Bio umgestiegen und Naturland-zertifiziert. Den Unterschied zu den benachbarten Hopfengärten sah man schnell – obwohl im April noch gar kein Hopfen gewachsen ist: Die meisten Felder waren braun, aber die von dem Schmailzls leuchteten grün! Denn zwischen den Hopfenreihen sind Zwischenbepflanzungen ausgesät. Stickstoffbindende Pflanzen, die den Boden fruchtbarer machen genauso wie Blühpflanzen, die nützliche Insekten anlocken – eine wichtige Unterstützung im biologischen Anbau.
Im Mai hat Clarissa dann auch mal eine Woche bei der Frühjahrsarbeit mitgeholfen: beim alljährlichen, sehr arbeitsintensiven „Hopfen andrehen„, wenn die frischen Triebe der rund 15.000 Hopfenpflanzen fachgerecht an die Drähte angelegt werden müssen. Eine sehr matschige Angelegenheit bei dem 2021er Frühlingswetter…
Drei verschiedene Hopfensorten wachsen auf den 8 Hektar der Schmailzls: „Ariana“ (die in Sud No. 1, 2 & 3 verbraut wurde), „Spalter Select“ und „Hallertauer Tradition“. Seit 2023 erproben die Schmailzls zusätzlich die Sorte „Tango“. Nach dem Anbinden im Frühjahr wachsen sie die Drähte empor, müssen regelmäßig auf Krankheiten und Schädlinge überprüft werden (dieses Jahr gab’s wetterbedingt wie bei uns in der Gärtnerei einige Herausforderungen…) und im September steht die Ernte an. Die Hopfendolden werden abgepfückt und direkt auf dem Hof getrocknet, bevor sie von einem Hopfenveredler zu Pellets gepresst werden – das macht sie besser aufbewahrbar und dosierbarer.
Bio-Malz aus Franken
Der Hauptbestandteil beim Bier, neben Wasser, ist jedoch Malz – und das wächst übrigens nicht einfach so auf dem Feld, sondern dazu muss Getreide „vermälzt“ werden. Unsere beiden Partner-Brauereien Haderner Bräu und Gut Forsting eG beziehen ihr Bio-Malz über die beiden fränkischen Mälzereien Steinbach und Scheuma.
Am liebsten würden wir natürlich Gerste verwenden, die von uns oder einem Partnerbetrieb stammt. Das geht aber nicht so einfach – denn die Gerste muss dann ja auch noch vermälzt werden und die Mindestmengen für so eine Lohnvermälzung liegen bei einigen Tonnen, das geht also nur, falls wir uns irgendwann tatsächlich ganz regelmäßig mit Bier versorgen wollen und zudem die Möglichkeit haben große Mengen Malz zu lagern und zu transportieren.
Bio-Brauerei Haderner Girgbräu in München
Die AG Bier hatte sich im Frühjahr 2021 mit einigen Brauereien getroffen – und am Ende fiel die Wahl für die Umsetzung des Sud No. 1 auf Haderner Brauerei in München. 2016 gegründet als erste und immernoch einzige Bio-Brauerei Münchens, Naturland-zertifiziert und wie der Zufall es will, hat Nick dort Mitte April 2021 selbst seine Stelle als Brauer angetreten! Dort konnten wir dann ziemlich eigenständig schalten und walten und im August unseren allerersten Sud brauen! Anfang 2022 wechselte unser Nick von der Bier AG seine Stelle und bereitet seitem Abwasser auf anstatt frisches Bier zu brauen – schade für uns, gut für die Wasserqualität 😉
Bio-zertifizierte Brauerei Gut Forsting e.G.
Während unsere AG Bier beim Sud No. 1 selbst an den Braukesseln stehen durfte, war es seit 2022 leider nicht mehr möglich tatsächlich „selbst“ zu brauen. Nun haben wir uns mit der Brauerei Gut Forsting eG in Forsting zusammengetan, die von Anfang an schon in der engeren Auswahl waren. Die seit über hundert Jahren ebenfalls als Genossenschaft organisierte Brauerei liegt östlich von München (zwischen Ebersberg und Wasserburg am Inn – man fährt etwa 45 Minuten vom Ostbahnhof mit der Regionalbahn). Sie braut eigene Biere, sowohl bio als auch konventionell, und hat viel Erfahrung damit, Bier im Auftrag von anderen Brauer*innen ohne eigene Brauerei zu brauen – genau das sind wir ja auch. Wir wurden dort sehr herzlich aufgenommen und dürfen bei allen Schritten mit vor Ort dabei sein.
Nach dem Brauen ist vor dem Abfüllen…
Die Bierabfüllung ist eine der größten Stolpersteine überhaupt im Prozess. Denn viele kleineren Brauereien haben keine eigenen Abfüllanlagen – und viele tausend Flaschen per Hand abfüllen und Labeln ist auch nicht sinnvoll. Das fertige Bier muss also in einen Abfüllbetrieb gebracht werden – das ist die erste Herausforderung. Beim Sud No. 1 musste unser Bier dafür bis nach Riedenburg reisen. Beim Sud No. 2 hatten wir den Vorteil, dass die Brauerei Gut Forsting eine eigene Abfüllanlage direkt vor Ort hat.
Die zweite Frage: Wo füllt man es denn dann eigentlich rein? Eigene Flaschen und vor allem eigene Kästen sind eine Investition, die gerne mal direkt in den 5-stelligen Bereich geht – und somit für uns erstmal nicht finanzierbar und auch die Leergut-Logistik und Lagerplatz sind mitzubedenken. Wir sind deshalb sehr dankbar, dass wir für unseren ersten Sud die Abfüll- und Leergut-Logistik von Haderner mitbenutzen dürfen! Für Sud No. 2 & 3 hat das Bier zwar keine längeren Transportwege zum Abfüllen hinter sich bringen müssen, dafür müssen wir uns nun selbst um das Einsammeln der von Gut Forsting geliehenen Bierkästen und unsere gekauften Glasflaschen kümmern. Für uns ist es ein großer logistischer Aufwand – so wie auch die Bier-Lieferungen – und wir befinden uns nach wie vor in einem „Ausprobier-Stadium“, auf welche Art und Weise wir das Projekt „KK-Bier“ möglichst sinnvoll verstetigen können – und weil wir damit unübliche Wege beschreiten, gehört am Anfang sehr viel Ausprobieren dazu.
Und was kostet der ganze Spaß?
Durch die Kooperation mit bestehenden Brauereien sind für uns so gut wie keine größeren Investitionen angefallen, sondern nur die laufenden Kosten für die Umsetzunge der jeweiligen Sude. Es geht also wie sonst auch im Kartoffelkombinat um Kostendeckung und nicht um Gewinnorientierung. Hier im Diagramm seht ihr, wie die verschiedenen Bereiche sich anteilsmäßig auf die Gesamtkosten auswirken. Bemerkenswert ist auch: Die Rohstoffe beim Bier machen preislich generell einen relativ kleinen Anteil aus! Biologische statt konventionelle Rohstoffe zu verwenden fällt also gar nicht so sehr ins Gewicht, „leisten“ könnte sich das also jede Brauerei – eine viel größere Auswirkung auf den Preis haben wie so oft der personelle Aufwand und die Größenordnung, in der gebraut wird.
Wie geht´s weiter?
… gerade genießen wir unseren dritten Sud und freuen uns über die Rückmeldungen von unseren Mitgliedern! Die AG Bier arbeitet bisher überwiegend ehrenamtlich neben anderen Jobs an diesem großen Projekt „Kartoffelkombinat-Bier“, deswegen braucht alles seine Zeit und noch viel Ausprobieren. Aber das ist ja auch erst der Anfang – Ideen für die Zukunft haben wir genug!